Eiweiß in der Pferdefütterung

Um das Thema Eiweiß in der Pferdefütterung ranken sich viele Mythen. Viele Pferdebesitzer sind verunsichert, wenn es um das Thema Eiweiß geht: Welche Eiweißmenge benötigt mein Pferd und wann ist es zu viel des Guten? Oft ist die Angst groß, gerade beim Eiweiß etwas falsch zu machen. Höchste Zeit Licht ins Dunkel zu bringen. Denn der schlechte Ruf, der dem Eiweiß teils vorauseilt, ist doch größtenteils unbegründet.
 

Was versteht man eigentlich unter Eiweiß?

Eiweiße (Proteine) bilden eine Gruppe von chemischen Verbindungen (Molekülen). Da Proteine im Vergleich zu anderen chemischen Verbindungen wie z.B. Vitaminen sehr groß sind, zählen sie in der Pferdefütterung zu den sogenannten Makronährstoffen. Weitere Makronährstoffe sind Zucker (Kohlenhydrate) und Fette (Lipide).

Die kleinsten Bauelemente der Proteine sind die Aminosäuren, von denen es im Körper 21 verschiedene gibt. Diese sogenannten proteinogenen Aminosäuren bilden Ketten, die sich bei jedem Eiweiß ganz individuell formen und ihm so seine charakteristische Funktion im Organismus geben. Um alle Gewebe zu bilden und aufrecht zu erhalten und damit der Stoffwechsel funktionieren kann, benötigt der Körper alle 21 Aminosäuren in ausreichender Menge. Einige kann er selbst bilden, andere muss er mit der Nahrung aufnehmen. Diese nur über die Nahrung verfügbaren Eiweißbausteine heißen essentielle Aminosäuren. Bei Säugetieren sind das:
Isoleucin, Leucin, Lysin, Methionin, Phenylalanin, Threonin, Tryptophan und Valin
 

Wofür benötigt das Pferd Eiweiß?

In allen Organismen sind Eiweiße allgegenwärtig. Sie erfüllen nicht nur im Körper von Tieren, sondern auch in Pflanzen und Pilzen lebenswichtige Aufgaben: Eiweiße geben Zellen und Geweben Stabilität und Flexibilität gleichermaßen (z.B. in Knochen, Bändern, Sehnen, Muskulatur), in Form von Enzymen machen sie Stoffwechselvorgänge möglich, als Transportproteine bringen sie verschiedenste Stoffe an den Ort ihrer Bestimmung. Kurzum: Ohne Eiweiß – kein Leben.
 

Reise durch den Verdauungstrakt: Eiweiß ist nicht gleich Eiweiß

Für Pferdefutter gibt es zwei verschiedene Angaben zum Eiweißgehalt: Verpflichtend ist bei den meisten Futterarten die Angabe des Rohproteingehalts (Rp). Interessanter für die Pferdefütterung ist jedoch der Gehalt an Rohprotein, das im Dünndarm verdaulich ist (praecaecal verdauliches Rohprotein, pcvRp). Wie kommt diese Unterscheidung zustande? Hierfür muss man den Weg des Eiweißes im Verdauungstrakt des Pferdes genauer unter die Lupe nehmen.

Nimmt das Pferd Eiweiß über das Futter auf, erfolgt der erste Verdauungsschritt bereits im Magen: Die Salzsäure im Magensaft verändert die dreidimensionale Struktur der Proteine. Dadurch können die von der Bauchspeicheldrüse gebildeten Verdauungsenzyme das Eiweiß im Dünndarm leichter in kleinere Bruchstücke spalten. Nach der enzymatischen Verdauung liegt das Protein in kürzeren Ketten zu je zwei bis drei Aminosäuren vor. Die Dünndarmschleimhaut kann diese kleineren Bruchstücke aufnehmen. Im Inneren der Dünndarmzellen folgt der Abbau zu einzelnen Aminosäuren. An körpereigene Transporteiweiße gebunden verlassen diese nun die Zelle und machen sich in der Blutbahn auf die Reise an ihren Bestimmungsort im Körper.

Alle Eiweiße, die das Pferd im Dünndarm nicht mehr aufnehmen kann, gelangen unverdaut in den Dickdarm. Dort steht es den Darmbakterien zur Verfügung. Das Pferd kann diesen Teil des Nahrungseiweißes jedoch nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt für die eigene Synthese von Körpereiweißen nutzen. Das liegt daran, dass die Schleimhaut im Dickdarm kaum dazu in der Lage ist, Eiweißbausteine aufzunehmen. Das bedeutet, dass z.B. für das Wachstum oder den Muskelaufbau nur das praecaecal verdauliche Rohprotein wirklich nutzbar ist. Deshalb ist diese Angabe in der Pferdefütterung noch interessanter als der Gesamtgehalt an Rohprotein.

Ob das Pferd ein Eiweiß bereits im Dünndarm verdauen kann oder nicht, hängt davon ab, wie das Eiweiß im Futter gebunden ist. Je höher der Anteil an Rohfaser in einem Futter, desto mehr des enthaltenen Proteins ist in der Regel auch an diese Rohfaser gebunden. Da Rohfaser für das Pferd selbst praktisch unverdaulich ist und nur von der Darmflora abgebaut werden kann, gelangt Rohfaser-gebundenes Eiweiß größtenteils unverdaut in den Dickdarm des Pferdes. Folglich steht dieses Eiweiß primär der Darmflora und weniger dem Pferd zur Verfügung und in der Fütterung ist deshalb immer der Gehalt an dünndarm-verdaulichem Rohprotein interessanter.
 

Empfohlene Eiweißversorgung im Erhaltungsbedarf

Bereits um in körperlicher Ruhe alle Stoffwechselvorgänge und Gewebe aufrecht zu erhalten, muss ein Pferd jeden Tag die Menge an Eiweiß über das Futter aufnehmen, die es im Zuge von Ausscheidungs-, Umwandlungs- und Erneuerungsprozessen verliert. Im Körper liegen zwar ausgeklügelte Mechanismen vor, um die Baustoffe der Aminosäuren zu „recyclen“ und für die Bildung neuer Eiweiße zu nutzen, dennoch ist der Körper auf eine gewisse tägliche Eiweißzufuhr angewiesen.

Bei einem gesunden Pferd im Erhaltungsbedarf empfiehlt die Gesellschaft für Ernährungsphysiologie (GfE) seit 2014 deshalb eine Versorgung mit täglich 3 g praecaecal verdaulichem Eiweiß (pcvRp) je Kilogramm metabolischem Körpergewicht (met. KM). Das metabolische Körpergewicht errechnet sich aus dem gewogenen Körpergewicht hoch 0,75. Diese Umrechnung beachtet, dass kleine Pferde eine größere Körperoberfläche in Relation zu ihrem Körpergewicht haben. Die größere Oberfläche hat eine andere Stoffwechselleistung pro Kilogramm Körpergewicht zur Folge. Deshalb hat ein 600 kg schweres Pferd nicht den doppelten
Eiweißbedarf eines 300 kg schweren Ponys:

Eiweißbedarf bei 600 kg: 600 0,75 = 121 kg met. KM -> 363 g pcvRp / Tag
Eiweißbedarf bei 300 kg: 
300 0,75 = 72 kg met. KM -> 216 g pcvRp / Tag

Der so errechnete Erhaltungsbedarf beinhaltet noch keinen zusätzlichen Leistungsbedarf durch körperliche Arbeit, Wachstum, Milchbildung oder einen Mehrbedarf durch Krankheit. 

Heu des mittleren ersten Schnitts enthält durchschnittlich ca. 50 Gramm praecaecal verdauliches Rohprotein pro Kilogramm. Versorgt man das Pferd täglich mit den empfohlenen 1,5 – 2 kg Heu je 100 kg Körpergewicht, deckt das bei einem durchschnittlichen Nährstoffgehalt also bereits den Erhaltungsbedarf: 

Pferd, 600 kg, 9 – 12 kg Heu -> 450 – 600 g pcvRp bei einem Bedarf von 363 g
Pony, 300 kg, 4,5 – 6 kg Heu -> 225 – 300 g pcvRp bei einem Bedarf von 216 g


Anders kann das bei sehr spät geschnittenem Heu aussehen, dessen Gehalt an dünndarmverdaulichem Eiweiß und Aminosäuren deutlich niedriger, mitunter nur bei der Hälfte liegen kann. Auch bei Pferden, die wenig leisten, ist deshalb nicht immer das am spätesten geschnittene Heu die richtige Wahl. Neben dem Schnittzeitpunkt haben auch die Artenzusammensetzung der Wiese sowie die hygienische Qualität Einfluss auf den Eiweißgehalt des Heus. Möchte man es ganz genau wissen, lässt man den Gehalt des eigenen Heus in einem Labor für Futtermittelanalytik (z.B. LUFA Nord-West) untersuchen.

Im Sommer bei Weidegang auf Wiesen mit gutem Bewuchs ist die Eiweißversorgung auch beim Einsatz proteinarmer Raufutter ausreichend, da insbesondere junges Gras einen hohen Eiweißgehalt aufweist. Im Winter kann bei einem spät geernteten Heu als Raufutter die Ergänzung von Aminosäuren notwendig sein, wenn Pferde kein zusätzliches Kraftfutter mit gutem Proteingehalt erhalten (z.B. leichtfuttrige Freizeitpferde).
 

Eiweiß- und Aminosäurebedarf von Sportpferden: Primär im Aufbau ein Thema

Eiweißversorgung bei SportpferdenEntgegen der häufigen Einschätzung von Pferdebesitzern sind Sportpferde in aller Regel ausreichend mit Eiweiß versorgt. Durch körperliche Arbeit steigt zwar der Eiweißbedarf gegenüber dem Erhaltungsbedarf etwas an. Gleichzeitig steigt jedoch auch der Energiebedarf. Bereits durch die höheren Gaben an Rau- und Kraftfutter, die neben Energie auch Eiweiß enthalten, sind Sportpferde in aller Regel reichlich mit Proteinen versorgt. Bei Hochleistungspferden (z.B. Rennpferde) stellen je nach Eiweißgehalt des Rau- und Krippenfutters sogar eher Über- als Unterversorgungen eine Herausforderung in der Gestaltung des Futterplans dar, da die täglichen Futtermengen und dadurch auch die Eiweißzufuhr sehr hoch sind. Den Bedarf an pcvRp sollte die Ration höchstens um das Zwei- bis Dreifache überschreiten. Gut geeignet für die Sportpferdefütterung ist Heu mit einem mittleren Eiweißgehalt vom ersten Schnitt als Grundfutter, ergänzt durch Kraftfutter wie Hafer, Pellets oder Müslis mit einem Rohproteingehalt unter 16 Prozent. Die zusätzliche Gabe von Pflanzenöl (z.B. Leinöl) verbessert die Energieversorgung, ohne mehr Eiweiß in die Ration zu bringen.

Anders als mit der Eiweißversorgung kann es sich während des Aufbautrainings mit der Aminosäureversorgung verhalten. Um eiweißhaltiges Gewebe wie Muskulatur zu bilden, benötigt das Pferd alle essenziellen Aminosäuren in ausreichender Menge. Methionin, Lysin und Threonin sind die Eiweißbausteine, die im Pferdefutter am häufigsten zu knapp vorliegen und durch ihr Fehlen zu einer Verlangsamung des Muskelaufbaus führen können. Man bezeichnet sie deshalb auch als limitierende Aminosäuren, da sie den möglichen Muskelzuwachs pro Zeiteinheit begrenzen. Um diesem bremsenden Effekt einer zu knappen Versorgung vorzubeugen, empfiehlt sich während des Aufbautrainings die gezielte Ergänzung dieser Eiweißbausteine. Für den größtmöglichen Nutzen ist es sinnvoll, eine Aminosäureergänzung immer direkt vor oder nach dem Training zu füttern. Dann kann das Pferd die Eiweißbausteine nach der körperlichen Anstrengung, wenn es sie zur Regeneration und Anpassung der Muskulatur braucht, direkt nutzen.
 

Ohne Eiweiß kein Wachstum: Erhöhter Bedarf in Zucht und Aufzucht

Auch Wachstum stellt eine körperliche Leistung dar und beginnt bereits im Mutterleib. Nach Abschluss des zweiten Trächtigkeitsdrittels beginnt das ungeborene Fohlen rasant an Masse zuzulegen. Damit der Nachwuchs zu diesem Zeitpunkt ausreichend Aminosäuren für den Gewebezuwachs hat, stellt ihm die Mutterstute das benötigte Eiweiß zur Verfügung. Nimmt die Zuchtstute in dieser Zeit nicht ausreichend Eiweiß über das Futter auf, baut sie eigene Eiweißdepots (z.B. Muskulatur) ab, damit es nicht zu einer Unterversorgung des heranwachsenden Fohlens kommt. Bis zum Tag der Geburt verdoppelt sich der tägliche Eiweißbedarf der Stute im Vergleich zum Erhaltungsbedarf. 

Eiweißversorgung junger PferdeMit Einsetzen der Milchbildung steigt der Bedarf sogar noch weiter an. Erst im zweiten Lebensmonat des Fohlens sinkt der Bedarf der säugenden Stute wieder. Mit dem Absetzen des Fohlens pendelt sich die täglich benötigte Menge dann wieder beim Erhaltungsbedarf ein, wenn die Stute keinen Mehrbedarf durch Muskelarbeit hat. Als Absetzer hat das Fohlen einen ungefähr 20 Prozent höheren Bedarf an pcvRp gegenüber seinem späteren Erhaltungsbedarf als ausgewachsenes Pferd.

Neben der Eiweißmenge ist bei Zuchtstuten und Jungpferden die Qualität des gefütterten Eiweißes von großer Bedeutung: Wichtig sind vor allem ausreichende Gehalte an den essenziellen Aminosäuren Lysin und Methionin. Getreide weist hier schlechtere Gehalte auf als junges Weidegras, eiweißreiche Faserfutter oder Leinkuchen.
 

Ältere und kranke Pferde: Bedürfnisse an die Proteinversorgung individuell

Auch im Alter oder bei Vorerkrankungen spielt neben der Menge an Eiweiß häufig vor allem auch die Aminosäurezusammensetzung des Futters eine große Rolle.

Alte Pferde mit Cushing haben einen erhöhten EiweißbedarfMit dem zunehmenden Verlust der Kaufähigkeit im Alter sinkt auch die Dünndarmverdaulichkeit der Futtereiweiße: Während Pferde mit einem intakten Gebiss dazu in der Lage sind, einen Teil des an Rohfaser gebundenen Proteins mit den Backenzähnen auszuquetschen und so verwertbar zu machen, lässt diese Fähigkeit mit schlechtem Zahnstatus nach. Dann können Futtermittel mit einem guten Gehalt an dünndarmverdaulichem Eiweiß die Fütterung ergänzen.

Viele ältere Pferde entwickeln zudem ein sogenanntes Equines Cushing Syndrom, das unter anderem zu einem starken Muskelabbau führen kann. Betroffene Pferde profitieren häufig von einer den Bedarf übersteigenden Versorgung mit dünndarmverdaulichem Eiweiß, um der Mobilisation von Muskulatur als „Eiweißspeicher“ entgegenzuwirken.

Anders verhält es sich bei anderen Erkrankungen: Pferde mit chronischen Lebererkrankungen sollten nicht mehr Eiweiß erhalten, als sich aus ihrem Erhaltungsbedarf errechnet. Als zentrales Entgiftungsorgan ist es Aufgabe der Leber, das beim Aminosäureabbau entstehende, giftige Ammoniak zu Harnstoff umzuwandeln, den die Niere ausscheiden kann. Ist die Funktion der Leber stark eingeschränkt, kann eine überhöhte Eiweißzufuhr zu einem gefährlichen Anstieg von Ammoniak im Blut führen. Je nach Blutbefund kann sogar eine Reduktion der Proteinzufuhr unterhalb des Erhaltungsbedarfs von Nöten sein. Mehr als 30 Prozent darunter sollte die tägliche Menge jedoch nicht liegen: Dann drohen Muskelabbau, Infektanfälligkeit, Fressunlust und Hautprobleme.

Neben der Gesamtmenge ist bei einer Leberdiät auch die Aminosäurezusammensetzung zu beachten: Ein Mangel an essenziellen Aminosäuren darf nicht entstehen und sogenannte verzweigtkettige Aminosäuren können die Leberregeneration sogar unterstützen. Ergänzend zu Raufutter mit einem nicht zu hohen Eiweißgehalt eignen sich für solche Pferde deshalb hochwertige Eiweißquellen wie Leinkuchen für eine ausreichende Versorgung mit essenziellen Aminosäuren. Maishaltige Futter sind reich an den verzweigtkettigen Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin.

Auch bei Pferden mit chronischen Nierenerkrankungen geben regelmäßige Blutbefunde Aufschluss über die notwendige Eiweißversorgung: Ist der Blutharnstoffwert erhöht, da die Ausscheidung über die Niere nicht ausreichend funktioniert, ist eine Begrenzung der Eiweißaufnahme ähnlich der Leberdiät angezeigt. Häufig verlieren nierenkranke Pferde allerdings große Mengen Eiweiß über den Urin, da die Nieren durch die Schädigung ihre Filterfunktion verlieren. Dann muss die Proteinversorgung so gewählt werden, dass der Eiweißgehalt in Blut trotz erhöhter Verluste konstant bleibt.

Änderungen des Futterplans und Anpassungen der Eiweißzufuhr dürfen bei kranken Pferden natürlich immer nur nach den Empfehlungen des Tierarztes erfolgen und sollten niemals auf eigene Faust geschehen. Bei der Berechnung spezieller Diätetik-Rationen können Tierärzte helfen, die sich auf Ernährung spezialisiert haben.
 

Pferde auf Diät: Ideale Fettverbrennung nur mit ausreichend Eiweiß

Viele Pferde und Ponys sind deutlich zu dick. Energiereiches Raufutter von intensiv genutzten Flächen, häufig überflüssige Kraftfuttergaben und vergleichsweise wenig Bewegung führen auf Dauer zu starkem Übergewicht. Betroffene Pferde sollten unbedingt abnehmen, um Folgeerkrankungen wie vorzeitigen Gelenkverschleiß oder gar Hufrehe zu vermeiden.
Ohne eine Reduktion der Futtermengen ist das in den allermeisten Fällen nicht möglich: Den meisten Pferdebesitzern fehlt die Zeit, ihren Freizeitpartner täglich mehrere Stunden zu bewegen. Kürzt man die Energiezufuhr durch eine Anpassung der Fütterungsmengen, sinkt natürlich auch die Eiweißzufuhr.

Eiweißversorgung bei dicken PferdenHierbei darf es jedoch nicht passieren, dass das Pferd während seiner Diät zu wenig Eiweiß oder Aminosäuren aufnimmt. Ein solcher Mangel führt nämlich dazu, dass das Pferd nicht vermehrt Fett, sondern Muskelmasse abbaut. Das Muskeleiweiß baut es dann zu anderen lebenswichtigen Eiweißen um. Das Pferd wiegt auch nach dem Muskelabbau weniger, gewonnen hat es dabei gesundheitlich aber nicht: Sein Energiebedarf sinkt weiter, da Muskulatur (anders als Fett) auch in körperlicher Ruhe Energie verbrennt. Außerdem schützt eine gut ausgebildete Muskulatur den Bewegungsapparat. Damit während der Diät vor allem Fett statt Muskelmasse schmilzt, ist neben der Gabe von abgewogenem Heu und Mineralfutter die Ergänzung von essenziellen Aminosäuren sinnvoll. Eine gut geeignete Quelle sind hier z.B. Zusatzfutter, die Spirulina-Alge enthalten. Sie ist nicht nur reich an wertvollen Eiweißbausteinen, sondern scheint auch einen positiven Einfluss auf den Stoffwechsel zu haben: Beim Equinen Metabolischen Syndrom konnte die Spirulina-Fütterung eine Verbesserung der Insulinresistenz bewirken. Das senkt in Verbindung mit einer konsequenten Diät auch effektiv das Hufreherisiko.
 

Mythos Hufrehe und Eiweiß

Apropos Hufrehe: Wenn im Frühjahr das saftige, junge Gras sprießt und sich die Weidezeit nach vorsichtigem Anweiden täglich verlängert, fürchten viele Reiter eine mögliche Eiweißüberversorgung ihrer Pferde. Tatsächlich ist das Gras zu dieser Zeit sehr energiereich und kann insbesondere für leichtfuttrige und zu dicke Pferde erhebliche Gesundheitsgefahren mit sich bringen, die über weichen Kot oder leichten Durchfall weit hinausgehen. Hufrehe ist eine der gefürchtetsten Pferdekrankheiten und sogenannte Futterrehen hängen häufig mit der unkontrollierten Aufnahme von zu viel nahrhaftem Weidegras zusammen.

Anders als in vielen Köpfen noch fest verankert, ist jedoch nicht der hohe Eiweißgehalt für entzündete Lederhäute und starke Schmerzen verantwortlich. Stattdessen sind es die stark schwankenden Zuckergehalte im Gras, die den Insulinspiegel des Pferdes stark ansteigen lassen und bei einer Insulinresistenz zu Entzündungen der Huflederhäute führen können. Die genauen Mechanismen der dabei in Gang kommenden Kaskade sind bis heute nicht abschließend geklärt. Dennoch gilt es als erwiesen, dass leicht verdauliche Zucker wie Fruktane ursächlich an der Weidehufrehe beteiligt sind.

Doch Vorsicht: auch wenn Eiweiß in der Vergangenheit zu Unrecht als Auslöser der Futterrehe verdächtigt wurde, sollte man Pferde mit Übergewicht nicht gedankenlos mit Proteinen überversorgen. Übersteigt die tägliche Eiweißzufuhr den Bedarf, zieht der Körper die überschüssigen Aminosäuren zur Energiegewinnung heran. Und Energie, die nicht verbraucht wird, wandelt der Körper zu Depotfett um. Ein hoher Körperfettanteil begünstigt wiederum die Entstehung einer Insulinresistenz, die am Hufrehegeschehen beteiligt ist.
 

Eiweißüberschuss: Die Menge macht das Gift

Während ein Eiweißmangel in der heutigen Fütterung selten ist, ist ein gewisser Eiweißüberschuss gerade bei Reitpferden eher die Regel. Die gute Nachricht ist, dass für gesunde Pferde eine Eiweißüberversorgung bis zum Dreifachen des täglichen Bedarfs auch über längere Zeiträume nicht schädlich ist.

Überschüssige, im Dünndarm aufgenommene Aminosäuren nutzt der Körper zur Energiegewinnung. Beim Abbau von Aminosäuren entsteht jedoch immer auch Ammoniak, das den Organismus unnötig belastet: Ammoniak selbst wirkt als Zellgift. Deshalb muss die Leber Ammoniak zu Harnstoff umwandeln, den dann wiederum die Niere ausscheiden kann. Eine Überversorgung mit dünndarmverdaulichem Rohprotein sollte man deshalb auch bei Sportpferden immer so gering wie möglich halten, um den Stoffwechsel nicht übermäßig zu beanspruchen. So ist zum Beispiel bei Distanzpferden bekannt, dass Pferde mit einem höheren Gehalt an Harnstoff im Blut schlechtere Leistungen zeigen.

Eiweiß, das unverdaut in den Dickdarm gelangt, dient der Darmflora als Quelle zur Energiegewinnung und zur Herstellung von mikrobiellem Eiweiß. Als Stoffwechselprodukte der Eiweiß-abbauenden Bakterien gelangen auch problematische Verbindungen wie Ammoniak, Schwefelwasserstoff und biogene Amine in den Dickdarm des Pferdes und teils sogar ins Blut. Das Pferd kann diese schädlichen Stoffe zwar entgiften, die dafür notwendigen Prozesse stellen jedoch ebenfalls eine Belastung für den Organismus dar.

Bei einem sehr plötzlichen Überangebot an Eiweiß im Dickdarm kann es außerdem zu abrupten Veränderungen in der Zusammensetzung der Darmflora kommen. Diese Umschichtungen zeigen sich dann in Form von vermehrter Gasbildung (das Pferd ist aufgebläht), weichem, übelriechendem Kot und vielleicht sogar Durchfall. Im schlimmsten Fall drohen sogar Koliken. Deshalb sollte man Pferde an die Aufnahme von eiweiß- und zuckerhaltigem, jungem Gras immer langsam durch bedachtes Anweiden heranführen.
 

AGROBS® Sortiment: Der passende Eiweißgehalt für jede Lebenslage

  • Myo Protein Flakes, Luzernecobs, Luzerne +: Eiweißreiches Raufutter für Zeiten mit erhöhtem Bedarf (Zucht, Muskelaufbau) oder zum Ausgleich eiweißarmer Grundfutter (überständiges Heu, vermehrte Strohfütterung)
  • Horse Alpin Senior: essenzielle Aminosäuren aus Myoalpin®-Fasern und verzweigtkettige Aminosäuren aus Maisflocken für ältere Pferde bei Substanzverlust und Muskelabbau
  • Haferwiese Sportmüsli: Spendet Sportpferden Kraft durch gut verdauliche Haferstärke verbunden mit hochwertigen Aminosäuren aus Luzerne, eiweißreichen Fasern, Leinkuchen und Sonnenblumenkernen
  • Amino Pur: mit Spirulina-Alge, reich essenziellen Aminosäuren, vor allem für Pferde im Aufbautraining oder für leichtfuttrige Pferde und Ponys während einer Diät mit reduzierter Futtermenge 
  • Pre Alpin® Protein Light Flakes: Für Pferde, deren Ration nicht zu viel Gesamteiweiß enthalten darf (bei Krankheit oder Leistungspferden zum Ausgleich eiweißreicher Grundfutter)


Celina Hofmann, Tierärztin
Oktober 2020, © AGROBS GmbH

Quellen:
  • Coenen, M.; Vervuert I.: Pferdefütterung. Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart, 2020
  • Kamphues, J.; Coenen, M.; Eider, K.; Iben, C.; Kienzle E.; Liesegang, A.; Männer, K.; Wolf, P.; Zebeli, Q.; Zentek, J.: Supplemente zur Tierernährung: für Studium und Praxis. Schlütersche, 2014
  • Geor, R.J.; Harris, P.A., Coenen, M.: Equine Applied and Clinical Nutrition: Health, Welfare and Performance. Saunders Elsevier, 2013
  • Gesellschaft für Ernährungsphysiologie. Empfehlungen zur Energie- und Nährstoffversorgung von Pferden. DLG Verlag, 2014