Erkrankungen des Muskelstoffwechsels: Polysaccharid-Speicher-Myopathien (PSSM)

PSSM ist in der Reiterwelt aktuell in aller Munde. Doch was genau verbirgt sich hinter den vier abstrakten Buchstaben? - Ein Überblick. 
 

Zugriff verwehrt: Wenn Muskeln nicht auf ihre Speicher zugreifen können

Um Energie für die Muskelarbeit zur Verfügung zu haben, bauen Muskelzellen Glykogenspeicher auf. Glykogen ist ein komplexes Kohlenhydrat, das aus vielen kleinen Blutzuckermolekülen (Glucose) aufgebaut ist. Bei einer Polysaccharid-Speicher-Krankheit (PSSM) sind die Auf- und Abbauvorgänge des Glykogens verändert. 

Pferde mit PSSM bauen in bestimmten Muskelfasern zum einen schneller Glykogen auf als gesunde Pferde. Zum anderen lassen sich die abnorm gebildeten Glykogenspeicher nicht mehr zur Energiegewinnung nutzen, da der Abbau zu Glucose nicht mehr möglich ist. Die Überladung der Muskelzelle mit Glykogen und die fehlende Zugriffmöglichkeit bringen für betroffene Pferde einige Probleme mit sich, die im Folgenden noch behandelt werden. 

Man weiß mittlerweile, dass es verschiedene Ursachen für diese Störung des Muskelstoffwechsels gibt und unterteilt die Erkrankung daher grob in zwei Typen: Typ 1 PSSM und Typ 2 PSSM. Bei PSSM1 konnten Wissenschaftler klären, dass hinter dem krankhaften Glykogenstoffwechsel eine bestimmte Genmutation steckt. Doch daneben gibt es auch Pferde, deren Muskelzellen offensichtlich mit Glykogen überladen sind, ohne diese Mutation aufzuweisen. Sie zeigen also ein vergleichbares Krankheitsbild, allerdings ist die Ursache für die Probleme abweichend. Man spricht dann von PSSM2. Hierbei handelt es sich um mindestens eine oder sogar mehrere Krankheiten, deren genaue Ursache bisher noch nicht wissenschaftlich geklärt ist. 
 

PSSM1: Genetische Abweichung mit Folgen

Beim Typ 1 PSSM ist ein Gen verändert, das die Struktur eines glykogenaufbauenden Enzyms (Glykogen Synthase 1, GYS1) verändert. Dadurch arbeitet das Enzym anders als bei Pferden ohne PSSM1. Es können beide Allele des Gens betroffen sein, wenn nur ein Elterntier die Genmutation weitergegeben hat (mischerbiger PSSM1-Träger) oder beide Allele, wenn beide Elterntiere die Mutation vererbt haben (reinerbiger PSSM1-Träger). In beiden Fällen ist das Pferd von einem veränderten Muskelstoffwechsel betroffen, allerdings zeigen reinerbige PSSM-Pferde schwerere Formen der Krankheit. 

Mögliche Anzeichen von Pferden mit PSSM1 sind eine allgemeine Leistungsschwäche, muskuläre Schwäche, Muskelabbau, Muskelverspannungen, Steifheit, Gangveränderungen bis hin zur Lahmheit und die wohl gefürchtetste mögliche Folge: Kreuzverschläge. Denn die Überladung der Muskelzelle mit Glykogen verursacht Schmerzen und kann auch dazu führen, dass einzelne Muskelzellen zugrunde gehen. Im Blutbild kann man bei Pferden mit PSSM1 oft auch im Ruhezustand erhöhte Muskelenzymaktivitäten feststellen. 

Die Gefahr der Überladung mit Glykogen besteht vor allem dann, wenn betroffene Pferde viele leicht verdauliche Kohlenhydrate wie Stärke oder Zucker aufnehmen. Denn folglich steigt der Blutzuckerspiegel und einen Teil des überschüssigen Blutzuckers nehmen die Muskelzellen auf und speichern ihn in Glykogen. Ebenfalls sind plötzliche, hohe Leistungsanforderungen an die Muskulatur für betroffene Pferde problematisch: Denn auch wenn sich ein Teil ihrer Glykogenspeicher nicht normal abbauen lässt, trifft das nicht auf das gesamte Glykogen des Muskels zu. Bauen die Pferde aufgrund einer sehr hohen muskulären Anforderung diese normal abbaubaren Speicher ab, folgt in der Regenerationsphase eine vermehrte Neubildung von Glykogen – und dabei wird auch wieder abnormes Glykogen gebildet, das die Muskelzellen überlädt. 
 
Um herauszufinden, ob ein Pferd unter PSSM1 leidet, kann man mittlerweile einen einfachen Gentest machen, für den man lediglich eine Blut- oder Haarwurzelprobe benötigt. Ein solcher Test ist z.B. ratsam, wenn man ein Pferd mit Anzeichen für PSSM hat oder auffällig erhöhte Muskelenzymaktivitäten im Blut festgestellt wurden, die sich nicht durch körperliche Anstrengung erklären lassen.

Auch bei Hengsten und Stuten für die Zucht ist der Test wichtig, wenn sie einer Rasse angehören, in der der Gendefekt verbreitet ist. Dazu gehören z.B. Quarter Horse, Paint Horse, viele Kaltblutrassen, Haflinger und Cobs. Betroffene Pferde sollten nicht zur Zucht eingesetzt werden. 

 

PSSM2: Folgen (noch) unbekannter Ursache(n)

Nicht alle Pferde, die Anzeichen für PSSM zeigen, weisen einen positiven Gentest auf. Hat ein Pferd wiederkehrend starke muskuläre Probleme aber keine Mutation des GYS1-Gens, stehen Pferdebesitzer erst einmal vor einem Rätsel. Was nun? Das Pferd scheint krank und alles passt zu PSSM, das Pferd ist aber kein Träger des veränderten GYS1-Gens. 

Mittlerweile gibt es weitere Angebote für Gentests auf dem Markt. Zu diesen muss man aber ganz klar sagen, dass sie bisher nicht validiert werden konnten und die aktuelle wissenschaftliche Datenlage eher dafürspricht, dass diese Tests nicht dazu geeignet sind, PSSM2 zu diagnostizieren. Doch was bedeutet das konkret?

Um das zu verstehen, muss man sich kurz mit dem bisherigen Goldstandard der Diagnose von PSSM2 auseinandersetzen: Die Untersuchung einer Muskelbiopsie unter dem Mikroskop. Glykogen, das krankhaft in die Muskelzelle eingelagert wurde, kann man unter dem Mikroskop nämlich sichtbar machen. Pathologen können anhand der Verteilung und Menge des Glykogens in den Muskelzellen einer Probe einschätzen, ob es sich um ein Pferd mit gesundem oder krankhaft verändertem Glykogenstoffwechsel handelt. Dafür ist es nach bisherigem Wissen auch nicht notwendig, dass das Pferd zum Zeitpunkt der Muskelbiospie starke klinische Symptome zeigt. Denn auch wenn in der Vergangenheit Probleme bestanden, die den Verdacht auf PSSM lenkten, wird sich die Muskelzelle verändert zeigen: Denn das krankhaft aufgebaute Glykogen kann der Körper nicht abbauen und zugrunde gegangene Muskelzellen können nicht mehr regenerieren. Salopp ausgedrückt: Einmal Schaden, immer Schaden. 

Angebote für Gentests auf PSSM2 untersuchen mehrere Gene und ihre möglichen Allele. Dabei ist aber nicht belegt, ob bestimmte Allele tatsächlich mit einem veränderten Muskelstoffwechsel einhergehen oder einfach nur eine mögliche genetische Varianz darstellen. Denn ein Unterschied im Genotyp bedeutet nicht automatisch, dass ein Individuum krank ist. So hat ein Fuchs andere Allele in seinen Farbgenen als ein Brauner, das steht aber in keinem Zusammenhang mit einer Erkrankung. Auch bei Muskelgenen ist eine breite Varianz zwischen Pferden ohne Krankheitswert wahrscheinlich, betrachtet man alleine die unterschiedliche Optik und Leistungsfähigkeit der Muskulatur verschiedener Pferderassen. 

Bisherige Untersuchungen zu den für PSSM2 angebotenen Tests bestätigen bisher auch eher die These, dass die feststellbaren Abweichungen in den Genotypen nicht mit einer Erkrankung des Muskelstoffwechsels in Zusammenhang stehen. So weisen Pferde, die unauffällige Muskelbiospien und keinerlei Krankheitsanzeichen haben, vergleichbar häufig positive PSSM2-Gentests auf, wie Pferde, die auch laut Muskelbiospie an PSSM leiden. Einen PSSM2-Verdacht sollte man daher nach wie vor mit einer Muskelbiopsie abklären. 

Das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass es unmöglich ist, in der Zukunft auch für PSSM2 einen validierten Gentest zu entwickeln – denn der Gedanke, dass es sich auch bei PSSM2 um eine oder mehrere genetisch bedingte Erkrankung(en) handelt, liegt nach wie vor nahe. Um herauszufinden, welche Mutationen tatsächlich dahinterstecken könnten, bedarf es aber weiterer Forschung.

Fütterung, Haltung und Training bei PSSM – was gibt es zu beachten?

Die gute Nachricht: Bei optimalem Management können viele Pferde trotz PSSM ein nahezu beschwerdefreies Leben führen und leistungsbereite Freizeitpartner sein. Um das zu erreichen, kann man als Besitzer einiges beachten. 

Pferde mit PSSM1 sollten möglichst wenig Stärke und Zucker über die Fütterung aufnehmen, damit der Körper möglichst wenig Glykogen bildet. Getreide- und Getreideerzeugnisse wie Hafer, Gerste, Mais oder Reiskleie sind daher eher ungeeignete Kraftfutter für betroffene Pferde. Auch beim Raufutter sollte man darauf achten, dass der Zuckergehalt nicht zu hoch liegt. Die meisten Pferde mit PSSM1 vertragen Heu vom mittleren ersten Schnitt problemlos. 

Doch bei früh geerntetem, zuckerreichem Heu oder auch bei jungem Gras auf der Weide kann es durchaus zu Problemen kommen – insbesondere dann, wenn die Pferde nicht jeden Tag arbeiten und es zu einer Fütterung über dem tatsächlichen Bedarf kommt. Hat ein PSSM1-Pferd trotz getreidefreier Fütterung Probleme, sollte man daher auch einen Blick auf die Raufutterversorgung werfen und einen Teil der Heuration gegebenenfalls mit Stroh ersetzen und die Aufnahme von Weidegras z.B. mithilfe einer Fressbremse minimieren oder den Weidegang im Zweifel sogar durch eine reine Paddockhaltung ersetzen. 

Reicht Raufutter allein nicht aus, damit ein PSSM1-Pferd sein Gewicht problemlos hält, kann man auf getreidefreie Kraftfutter mit niedrigem Stärke- und Zuckergehalt sowie Öle zurückgreifen. Der Eiweißgehalt des Kraftfutters darf dabei ruhig etwas höher liegen, um einem Abbau der Muskulatur entgegenzuwirken. 

Um die Muskulatur bestmöglich zu unterstützen, sollte man außerdem darauf achten, alle für die Muskulatur relevanten Nährstoffe in ausreichender Menge zuzuführen. Das Mineralfutter sollte daher z.B. einen bedarfsdeckenden Gehalt an Selen und Vitamin E aufweisen, damit es hier nicht zu Mängeln kommt. Auch essenzielle Aminosäuren sind ein wertvoller Zusatz für PSSM1-Pferde, da sie wichtige Bausteine für das Muskeleiweiß darstellen. 

Für Pferde mit PSSM2 gelten bisher ähnliche Empfehlungen für die Fütterung, auch wenn es Hinweise darauf gibt, dass nicht alle Pferde mit PSSM2 Probleme durch die Aufnahme von Zucker oder Stärke haben. Da eine getreidefreie Fütterung mit wenigen leicht verdaulichen Kohlenhydraten aber prinzipiell für alle Pferde gut geeignet ist, spricht eigentlich nichts dafür, Probleme durch Stärke oder Zucker zu riskieren. Andere Empfehlungen für PSSM2, die z.B. die Fütterung stark überhöhter Eiweißmengen beinhalten, sind fachlich bisher nicht haltbar. Eine dauerhaft exzessive Überversorgung mit Eiweiß sollte man aufgrund der hohen Belastung des Leber- und Nierenstoffwechsels vermeiden.  

Damit der Glykogenstoffwechsel von PSSM-Pferden möglichst „ruhig“ ist, kann man Haltung und Training auf die Erkrankung abstimmen. Haltungsformen, in denen sich Pferde möglichst kontinuierlich bewegen und ihr Futter in vielen kleinen Portionen über den Tag verteilt aufnehmen, sind ideal (z.B. Haltung im Aktivstall oder Paddock Trail). Beim Training sollte man darauf achten, betroffene Pferde möglichst jeden Tag leicht zu bewegen. Plötzliche Belastungsspitzen sollte man hingegen eher vermeiden. Sogenanntes „Long-Slow-Distance“-Training hauptsächlich im Schritt mit dosiert gesteigerten Trab- und Galoppreprisen im Gelände ist für betroffene Pferde ideal. In der Bahn ist leichte gymnastizierende Arbeit sinnvoll – bei Widersetzlichkeit sollte man natürlich immer auch die Grunderkrankung und mögliche Schmerzen als Auslöser im Hinterkopf behalten. Dann steht einem zufriedenen Leben als aktives Freizeitpferd in den meisten Fällen nichts im Weg. 

Passende Produkte aus dem AGROBS-Sortiment: 

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Celina Hofmann, Tierärztin
Juli 2022, © AGROBS GmbH

Quellen: 
  • Borgia, L., Valberg, S., McCue, M., Watts, K., & Pagan, J. (2011). Glycaemic and insulinaemic responses to feeding hay with different non-structural carbohydrate content in control and polysaccharide storage myopathy-affected horses. Journal of animal physiology and animal nutrition, 95(6), 798–807. https://doi.org/10.1111/j.1439-0396.2010.01116.x
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  • Geor, R.J.; Harris, P.A., Coenen, M.: Equine Applied and Clinical Nutrition: Health, Welfare and Performance. Saunders Elsevier, 2013
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