Muskelaufbau: Effektiv füttern und trainieren

Muskeln wachsen nicht allein vom Futter – das ist klar. Aber wie kann ich die Effektivität meines Trainings durch einen angepassten Futterplan optimieren?
 

Hinter der Muskelmechanik stecken Eiweiße

Wenn wir die Muskulatur unseres Pferdes aufbauen möchten, dann sprechen wir von seiner Skelettmuskulatur. Sie gehört zum aktiven Teil des Bewegungsapparats und ermöglicht die Bewegung des Körpers.

Ein einzelner Muskel besteht aus vielen Muskelzellen, auch Muskelfasern genannt. Einzelne, längliche Muskelzellen liegen eng zusammen und sind von Bindegewebe umhüllt, die sie zu Muskelfaserbündeln zusammenfassen.  In einer einzelnen Muskelzelle selbst befinden sich neben mehreren Kernen auch viele, längsverlaufende Myofibrillen. Die Myofibrillen sind der Bestandteil der Muskelzellen, die die Mechanik des Muskels möglich machen.

In den Myofibrillen befinden sich viele aneinander gereihte „Wagons“ (Sarkomere). In diesen sind die Eiweißfäden Myosin und Aktin angeordnet und quasi ineinander verzahnt. Reizt das Nervensystem den Muskel dazu, sich zu kontrahieren, gleiten die Filamente ineinander und verkürzen den Muskel (isotonische Kontraktion) oder erzeugen eine Kraft, die der Dehnung des Muskels entgegenwirkt (isometrische Kontraktion). Beide Kontraktionsformen können auch gekoppelt auftreten.

Wusstest du, dass... Muskeln sich an Anforderungen anpassen?


Wie viele Muskelzellen ein Muskel hat und zu welchem Fasertyp einzelne Muskelzellen gehören, ist genetisch festgelegt. Es gibt rote Muskelfasern, die sich über einen langen Zeitraum ohne Ermüdung kontrahieren können, dabei aber nur langsame Kontraktionen zulassen. Weiße Muskelfasern hingegen kontrahieren schnell und kraftvoll, ermüden dafür aber sehr schnell. Muskelfasern vom Intermediärtyp liegen zwischen diesen beiden Extremen.

Auf Schnelligkeit gezüchtete Pferderassen wie das Englische Vollblut haben mehr weiße Muskelfasern, während Arbeitspferde wie der Noriker einen größeren Anteil an roten Muskelfasern besitzen. In gewissem Umfang lassen sich Muskelfasern durch entsprechendes Training aber in rote, weiße oder Intermediärtypen umwandeln.

Die Anzahl der Muskelzellen hingegen lässt sich nicht steigern. Die sogenannte Hypertrophie der Muskulatur durch Training entsteht nur durch eine Vergrößerung der einzelnen Muskelfasern. Die Vergrößerung kommt durch die Vermehrung der Eiweißfäden in der Muskelzelle zustande. Durch Belastungen, denen die Muskelzelle nicht gewachsen ist, kommt es zu mikroskopisch kleinen Schäden an den Eiweißfäden – der Körper repariert diese Schäden und baut die Eiweißstrukturen zusätzlich aus, um dem Reiz das nächste Mal gewachsen zu sein.

Damit Muskeln wachsen können, benötigen sie ausreichend Eiweiß

Ganz klar: Ohne den entsprechenden Trainingsreiz kann kein Muskelaufbau stattfinden. Anfüttern lassen sich Muskeln also keineswegs und oft unterschätzt man den Trainingsaufwand, der notwendig ist, um einen sichtbaren Muskelzuwachs zu erreichen. Dennoch kann die Fütterung den Muskelaufbau trotz adäquatem Training limitieren, wenn nicht ausreichend Nährstoffe für den Ausbau der Eiweißstrukturen vorhanden sind.

Training und Fütterung gehen beim Muskelaufbau also Hand in Hand. Vergleichbar ist das mit einem Hausbau, bei dem in unserem Beispiel die Handwerker für das Training und die Baustoffe für die Fütterung stehen. Egal wie viele Handwerker man rekrutiert: Wenn die Lieferung der Baustoffe nicht kontinuierlich genug erfolgt, dann können die Handwerker das Haus nur so schnell fertigstellen, wie es der Rohstoffzufluss erlaubt. Andererseits helfen aber auch palettenweise Baustoffe nicht weiter, wenn es nicht genug Arbeitskräfte gibt, die diese verbauen.
 

Volle Kraft voraus: Diese Nährstoffe kurbeln den Muskelaufbau an

Die Bausteine von Muskeleiweiß sind Aminosäuren. Deshalb ist es wichtig, dass ein Pferd im Aufbautraining ausreichend mit allen Aminosäuren versorgt ist. Einige Aminosäuren kann der Körper selbst herstellen, andere muss er über die Fütterung aufnehmen – letztere nennt man essenzielle Aminosäuren. Bei Säugetieren sind das: Isoleucin, Leucin, Lysin, Methionin, Phenylalanin, Threonin, Tryptophan und Valin

Damit der Körper eigenes Muskeleiweiß aus Aminosäuren aufbauen kann, benötigt er neben dem entsprechenden Trainingsreiz auch alle essenziellen Aminosäuren in ausreichender Menge. Auch wenn bei nur einer einzelnen Aminosäure eine Versorgungslücke entsteht, kommt die körpereigene Eiweißsynthese zum Stillstand. Denn für jedes Eiweiß liefern die Zellkerne in ihrem Erbgut eine ganz klare Bauanleitung, welche Aminosäure an welcher Stelle eingebaut wird. Nur durch diese exakt festgelegte sogenannte Primärstruktur der Eiweiße, kann sich die lange Aminosäurekette so formen, dass das Eiweiß seine spätere Aufgabe erfüllen kann.

Vergleichen wir diese Tatsache noch einmal mit unserem Hausbau: Fehlen Mauersteine, können die Maurer das nicht mit Dachziegeln kompensieren. Und der Dachdecker kann auch nicht beginnen, bevor nicht alle Maurerarbeiten fertiggestellt sind.

Die meisten Aminosäuren sind im Grundfutter des Pferdes bereits ausreichend vorhanden. Doch es gibt drei Aminosäuren, die dafür bekannt sind, dass sie das Voranschreiten des Muskelaufbaus durch Knappheit häufig limitieren: Methionin, Lysin und Threonin. Diese drei Eiweißbausteine sind daher eine sinnvolle Ergänzung während des Aufbautrainings.
 

Qualität vor Quantität: Aminosäuren gezielt ergänzen

Alle Eiweiße bestehen aus Aminosäuren – daher liegt der Gedanke nah, während des Muskelaufbaus einfach sehr eiweißreiche Futtermittel zu ergänzen. Diese Rechnung geht nur bedingt auf. Denn nicht jedes Eiweiß ist für das Pferd gleich gut verfügbar und eine Eiweißversorgung weit über den Bedarf belastet den gesamten Organismus. Daher sollte man bei der Ergänzung von Eiweiß beachten, dass das Futtereiweiß hochwertig und gut dünndarmverdaulich ist. Gute Quellen sind z.B. Leinsamen, Sonnenblumenkerne oder Bierhefe. Unter Pferdebesitzern häufig empfohlen, aber aufgrund von Aminosäuremuster und Eiweißverdaulichkeit weniger geeignet hingegen sind pures Getreide oder Luzerne. (Welche Unterschiede es zwischen Eiweißquellen in der Pferdefütterung gibt, behandelt unser Artikel zum Thema Eiweiß in der Pferdefütterung näher.)

Um das Aufbautraining zu unterstützen, ohne Dickdarm, Leber und Nieren unnötig zu belasten, empfiehlt sich unbedingt auch die gezielte Gabe der Aminosäuren Methionin, Lysin und Threonin in Form eines Ergänzungsfutters. Das gewährleistet, dass das Pferd die notwendigen Eiweißbausteine aufnimmt, ohne die Gesamteiweißmenge der Fütterung zu überhöhen. Ein weiterer Vorteil der Zulage von Aminosäuren selbst ist, dass die Dünndarmverdaulichkeit der Eiweißbausteine dann bei annähernd 100 Prozent liegt – die Aminosäuren stehen dem Pferd also vollumfänglich zur Verfügung, statt teilweise unverdaut in den Dickdarm zu gelangen.

Um den Effekt der Aminosäureergänzung zu optimieren, kann man die Aminosäureergänzung zeitlich assoziiert zum Training verfüttern. Die Zeitspanne von ca. zwei Stunden vor dem Training bis kurz nach dem Training stellt eine punktgenaue Versorgung der Muskulatur sicher.
 

Auch andere Nährstoffe sind im Aufbautraining von Bedeutung

In Zeiten des Muskelaufbaus lässt sich nicht vermeiden, dass der Körper durch die gesetzten Reize unter Stress gerät. Denn nur so sieht der Organismus überhaupt den Bedarf, seine Muskulatur zu verbessern. Während und nach einer intensiven Trainingseinheit läuft der Stoffwechsel auf Hochtouren. Solange die Belastung andauert, verbraucht die Muskulatur vermehrt Sauerstoff, Energieträger und Antioxidantien. Um die Sauerstoffversorgung zu verbessern, erhöhen sich Herz- und Atemfrequenz, außerdem enthält der Muskelfarbstoff Myoglobin Sauerstoffreserven.

Als Energieträger nutzt ein länger arbeitender Muskel vor allem Glucose und Fettsäuren. Glucose speichert der Muskel selbst in Form von Glykogen, das er während der Belastung abbaut. Auch aus dem Blut kann er Glucose als Energiequelle aufnehmen. Damit die Muskelfaser Glucose in den kleinen Zellkraftwerken (Mitochondrien) in Energie umwandeln kann, benötigt sie unter anderem Vitamin B1 als Coenzym. Auch Vitamin B2 ist ein wichtiges Coenzym im Energiestoffwechsel.

Fettsäuren nutzt der Muskel ebenfalls aus eigenen und externen Speichern. Damit Fettsäuren in die Mitochondrien gelangen können, müssen sie an die Aminosäure L-Carnitin gebunden werden. Nur so können Sie die Mitochondrienmembran überwinden. In Zeiten sehr intensiver Belastung kann die zusätzliche Fütterung von L-Carnitin daher sinnvoll sein, um Engpässe der Eigensynthese und damit einhergehende Leistungseinbußen zu vermeiden.

Die verbrauchte Energie muss der Körper mittelfristig natürlich über die Nahrung aufnehmen, wenn er im Training viel Energie verbrennt. Sonst kann das Pferd keine Masse aufbauen, sondern baut Körpersubstanz ab. Ab wann Raufutter alleine nicht mehr ausreicht, den Energiebedarf zu decken und welche Energiequellen für welches Pferd geeignet sind, behandelt unser Artikel zum Thema Energiequellen in der Pferdefütterung.

Wann immer der Körper viel Sauerstoff verbraucht, entstehen dabei auch vermehrt sogenannte Sauerstoffradikale. Sie entstehen durch zufällige chemische Reaktionen und können Zellmembranen schädigen. Deshalb gibt es in allen Zellen Enzyme und Antioxidantien, die diese Sauerstoffradikale zu unschädlichen Sauerstoffverbindungen umwandeln. Selen ist als Teil der Glutathionperoxidase daher ein wichtiger Nährstoff für intensiv trainierte Pferde. Gleiches gilt für Vitamin E als Antioxidans. Auch Vitamin C ist ein wichtiges Antioxidans und gleichzeitig an der körpereigenen Synthese von L-Carnitin beteiligt. 

Weitere Tipps für einen erfolgreichen Muskelaufbau

Der Futterplan steht und ist perfekt auf die Bedürfnisse des Pferdes abgestimmt – jetzt kann das gezielte Training losgehen und Früchte tragen. Auch hier gibt es einiges zu beachten. Neben Dauer, Intensität und Häufigkeit der Trainingseinheiten spielt auch die Disziplin, für die die Muskulatur vorbereitet werden soll, eine Rolle in der Planung. Zum Abschluss deshalb noch ein paar Tipps, wie sich das Training besonders effektiv gestalten lässt:

  • Viele Reiter wünschen sich vor allem eine sichtbar ausgeprägte Muskulatur der typischen Reitpferdemuskulatur: Ein kräftiger Oberhals, der in einen harmonischen Rücken und eine kräftige Kruppen- und Hosenpartie übergeht. Damit diese Muskeln wachsen, muss das Pferd natürlich einerseits seinen Körper richtig benutzen. Andererseits spielt aber auch die Intensität des Trainingsreizes eine wichtige Rolle: Für sichtbares Wachstum muss ein Muskel im Training hohe Kraftspitzen erreichen und vermehrt Muskelfasern des weißen Typs ausbilden. Viel Kraft kosten z.B. intensives Stangen- und Wassertreten, Klettern, Übergänge über mehrere Gangarten hinweg oder Sprünge. Hier kommt es daher auch schneller zur Ermüdung. 
  • Weniger intensive Reize, die schier endlose Wiederholungen erlauben, zeigen Effekte auf mikroskopischer Ebene, eine tatsächlich sichtbare Zunahme des Muskeldurchmessers erfolgt bei dieser Anpassung aber nicht. Langes Reiten auf großen Linien oder im Gelände innerhalb einer Gangart fördert mehr die typische Ausdauermuskulatur mit primär roten Muskelfasern, die kein großes Volumen haben. Ein gut aufgebautes Distanzpferd ist daher anders als ein Galopper kein Muskelpaket und dennoch perfekt für seine Disziplin vorbereitet. 
  • Ruhige Hand- oder Longenarbeit im Schritt und lockeren Trab fördern die Ansteuerbarkeit der Muskulatur und das Körperbewusstsein des Pferdes und helfen dabei, dass es lernt die richtigen Muskelgruppen zu nutzen. Allein reichen diese Trainingsformen aber nicht aus, um Muskelfasern tatsächlich aufzubauen. 
  • Wenn der sichtbare Muskelaufbau nicht so recht klappen will, liegt es meist eher am Untertraining. Aber auch Übertraining bringt einen nicht ans Ziel: Setzt man durch Training einen Reiz, braucht der Körper Zeit die entstandenen Mikroschäden im gesamten Bewegungsapparat zu reparieren. Auch die Energiereserve Glykogen im Muskel benötigt insbesondere beim Pferd Zeit, um neu generiert zu werden: Erst nach 48 Stunden Regenerationszeit sind die Reserven wieder voll. Daher sollte gezieltes Krafttraining der gleichen Muskelgruppen niemals täglich erfolgen. Lockere Bewegung (z.B. leichtes Ausdauertraining im Gelände) an den Tagen zwischen intensivem Krafttraining lässt der Muskulatur Zeit sich anzupassen und erhält die Motivation des Pferdes. 
  • Muskelaufbau geht schnell, Sehnen, Bänder und Knochen brauchen Zeit. Schon wenige Wochen gezieltes Training können aus einem Hänfling ein richtiges Pferd machen. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass sich der Rest des Bewegungsapparats deutlich langsamer an neue Belastungen anpasst. Um Lahmheiten vorzubeugen, sollte man die Intensität des Krafttrainings daher nicht zu schnell erhöhen.  

Passende Produkte aus dem Agrobs-Sortiment während des Muskelaufbaus: 

  • Amino Pur ist besonders reich an den hochverfügbaren Aminosäuren Methionin, Lysin und Threonin.
  • Haferwiese Sportmüsli enthält neben viel Energie bei moderatem Stärkegehalt hochwertige Futtereiweiße für eine starke Muskulatur
  • AlpenGrün Müsli, AlpenGrün Seniormüsli und AlpenGrün Mash versorgen durch hochwertige Eiweißträger auch Pferde mit Getreideunverträglichkeit optimal
  • Gipfelstürmer Mineral liefert als Vitalstoffkonzentrat alle wichtigen Mikronährstoffe für eine leistungsfähige Muskulatur. Neben den Eiweißbausteinen Methionin, Lysin und Threonin enthält es auch L-Carnitin für intensiv trainierte Pferde. Hohe Gehalte an Selen sowie den Vitaminen E, B1, B2 und C gewährleisten eine bedarfsdeckende Versorgung in allen Lebenslagen.

Celina Hofmann, Tierärztin
Februar 2022, © AGROBS GmbH

Quellen: 
-    Coenen, M.; Vervuert I.: Pferdefütterung. Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart, 2020
-    v. Engelhardt, W., Breves, G., Diner, M., Gäbel G.: Physiologie der Haussäugetiere. Enke Verlag, Stuttgart, 2015
-    Geor, R.J.; Harris, P.A., Coenen, M.: Equine Applied and Clinical Nutrition: Health, Welfare and Performance. Saunders Elsevier, 2013 
-    Kamphues, J.; Coenen, M.; Eider, K.; Iben, C.; Kienzle E.; Liesegang, A.; Männer, K.; Wolf, P.; Zebeli, Q.; Zentek, J.: Supplemente zur Tierernährung: für Studium und Praxis. Schlütersche, 2014